Interview mit Alison Rabschnuk

Das The Good Food Institute bringt Fleischalternativen und „Kultiviertes Fleisch“ auf dem Markt voran

27.10.2017

Alison Rabschnuk kennt sich in der Lebensmittelindustrie in den USA gut aus: 25 Jahre lang hat sie sich mit Werbung, Marketing und Verkauf rund um Lebensmittel beschäftigt. Bei The Good Food Institute arbeitet sie mit Restaurants, Lebensmittelgeschäften, der Gastronomie und der Lebensmittelverarbeitung zusammen, um das Angebot pflanzenbasierter Produkte auf dem Markt zu erhöhen.

Was genau ist The Good Food Institute und was umfasst Ihr Aufgabenbereich?
 

The Good Food Institute (GFI) ist eine Non-Profit Organisation, die pflanzliche Produkte und „Clean Meat“ (Labor-Fleisch) auf dem Lebensmittelmarkt vorantreiben will. Unser Team besteht aus Wissenschaftlern, Unternehmern, Lobbyisten und Kommunikatoren. Als Abteilungsleiterin des Corporate Engagement Teams arbeite ich mit Restaurants, Supermärkten, der Gastronomie und der Lebensmittelverarbeitung zusammen, um das Angebot und die Qualität von pflanzlichen Produkten auf dem Markt zu erhöhen und zu verbessern.
 

Wann haben Sie zum ersten Mal von „Clean Meat“ gehört?

Obwohl ich Tierschutzthemen jahrzehntelang beobachte, habe ich erst vor einem Jahr von „Clean Meat“ erfahren, als ich das Buch The Humane Economy von Wayne Pacelle gelesen habe. Dieser Moment hat mir die Augen geöffnet und es war sehr aufregend für mich: Mir war klar, dass meine 25 Jahre lange Erfahrung im „Profit-Business“ sehr wertvoll für dieses Gebiet sein kann.

Was ist Ihre Meinung – ist die Verwendung des Begriffs „Clean Meat“ besser als InVitro, kultiviertes oder Labor-Fleisch?

Absolut. Es wird „Clean Meat“ in zweierlei Hinsicht genannt: als ein Vergleich zu „clean energy“ und des Endproduktes „Fleisch“ – es enthält kein Antibiotikum, produziert keine bakterielle Verunreinigung und verletzt keine Tiere. Für die Produktion von „Clean Meat“ wird weniger Land und Wasser benötigt als bei der Herstellung von konventionellem Fleisch, es verursacht nur einen Bruchteil an Treibhausgasen und eliminiert die enormen Auswirkungen auf die Umwelt durch tierische Abfälle und Kontamination des Bodens.

Sie arbeiten mit führenden Unternehmen im Lebensmittelbereich zusammen. Was ist der aktuelle Stand in Bezug auf „Clean Meat“ und pflanzliche Alternativen?

Produzenten, Restaurants und Supermärkte wollen unbedingt viel über pflanzliche Alternativen und „Clean Meat“ erfahren, damit sie keine Geschäftsmöglichkeiten verpassen. Unternehmen interessieren sich für das Profil von Firmen, die bereits pflanzliche Fleisch-, Milch-, Fisch- und Eierprodukte herstellen. Sie interessieren sich dafür, wie man diese neuen Produkte am besten vermarktet und mit ihnen einen großen Umsatz erzielt. Derzeit entscheiden sich viele Menschen dafür die Ernährung umzustellen. Studien wie von Mintel und Nielsen zeigen, dass pflanzliche Fleischprodukte hauptsächlich von Menschen gegessen werden, die auch tierisches Fleisch essen.

Es gibt unzählige Möglichkeiten für Restaurants und Lebensmittelunternehmen, sich diesem Ernährungswandel anzupassen: Einfach indem sie proteinreiche, pflanzliche Speisen und andere Produkte in ihr Angebot aufnehmen. 

Pflanzliche Fleisch-Alternativen sind ein aktuelles Thema, welches auch von den Medien hervorgehoben wird. Erhalten Sie nun mehr Anfragen von Supermärkten, Restaurants und/oder Startups für pflanzliche „Fleisch-Innovationen“? Wie planen diese, das Angebot an pflanzlichen Produkten zu erhöhen?
 

Ja, pflanzliche Ernährung ist ein angesagtes Thema! Vor kurzem haben wir die Top 100 U.S. Restaurantketten darauf angesprochen, mehr pflanzliche Speisen in die Menüs aufzunehmen. Wir hatten sehr produktive Gespräche und hoffen, dass die Restaurants nun anfangen, die vielen neuen pflanzlichen Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen. Denn die Nachfrage von Konsumentenseite ist da. 

Welche Sorgen haben Unternehmen?

Restaurants müssen überzeugt werden, dass es sich lohnt, pflanzliche Alternativen in ihre Speisekarte zu integrieren – auch wenn das Zeit und Geld kostet. Bei Unternehmen der Lebensmittelverarbeitung ist es nicht die Frage, ob sie die Produkte produzieren, sondern wann und wie. Eine Firma kann z.B. einen existierenden Produzenten hinzuziehen, anstatt eine eigene Produktlinie zu entwickeln. Zudem besteht die Frage bei traditionellen Unternehmen, ob sie überhaupt pflanzliche Produkte unter ihrer Marke anbieten sollen. Für beides gibt es pro und contra Argumente. 
 

Arbeiten Sie auch mit Unternehmen zusammen, die Essen an Schulen liefern? Welche Schritte unternehmen sie um pflanzliches Essen zu fördern?

Wir arbeiten an einem Guide für Produzenten, die pflanzliche Fleischalternativen herstellen. Der Guide erläutert, was zu bedenken ist, wenn ein Cateringunternehmen pflanzliche Fleischalternativen in Schulen verkaufen will. Darin enthalten ist auch eine Übersicht zu den Forderungen verschiedener Kinderernährungsprogramme. Schulen, die an Ernährungsprogrammen für Kinder teilnehmen, sind nicht dazu verpflichtet, pflanzliche Alternativen anzubieten. Aber sie können es machen, solange die Lebensmittel der Energie- und Nährstoffzufuhr der Kinder entsprechen.

Wir denken, dass Unternehmen, die pflanzliche Fleischalternativen herstellen, ihre Produkte so produzieren müssen, dass sie den Anforderungen und Erwartungen der Ernährungsexperten für Schulen entsprechen. Es ist spannend zu sehen welche Entwicklungen manche Schulen machen – wie in Los Angeles, wo es ein veganes Pilotprojekt gibt oder Brooklyn, wo es eine vegetarische Schule gibt. Und wir möchten noch mehr Caterer inspirieren, diese Optionen für die Schüler zu entdecken.

Wo sehen Sie die Vorteile für sogenannte Nutztiere, wenn sich der Anteil von „Clean Meat“ und pflanzenbasierten Alternativen in unserer Ernährung erhöht? 

Wir werden häufig gefragt: „Was passiert mit den Nutztieren, wenn Pflanzenbasiertes und „Clean Meat“ ihren Siegeszug antreten?“ Diese Frage zeigt den wahren Mangel an Verständnis, der bei den meisten Menschen über das konventionelle Fleischsystem vorherrscht. Die unglaubliche Zahl der Nutztiere, die unter schlimmsten Bedingungen aufgezogen und schrecklichen Schlachtpraktiken getötet werden, entsteht nur durch die Nachfrage nach Fleisch. Wenn die Nachfrage sinkt, wird weniger produziert.

 

Mehrere wichtige Akteure der Lebensmittelindustrie haben erkannt, dass ein großer Wandel kurz bevorsteht und haben sich in diesen Markt eingekauft, um davon zu profitieren. Zum Beispiel investierte Tyson Foods, der größte Fleischproduzent in den USA, in das Fleischersatz-Start-up Beyond Meat, um alternative Proteine zu erforschen und ihr Geschäft vor materiellen Risiken abzusichern, die mit der übermäßigen Abhängigkeit von der Massentierhaltung einhergehen.

 

Unser Ziel ist es, dass alles Fleisch entweder "Clean Meat" oder nachhaltig produziert ist. In dem Maße, dass wir Menschen vom herkömmlichen Fleisch abbringen können und diejenigen, die Fleisch von Nutztieren konsumieren möchten, auf nachhaltige Produktion zurückgreifen. Unser Erfolg wird Bauernhöfen mit hohen Tierschutzstandards helfen und nicht schaden.

Haben Sie oder einer Ihrer Kollegen „Clean Meat“ probiert?

Ich persönlich habe „Clean Meat“ noch nicht gegessen, aber ich habe mit Kollegen gesprochen, die es schon probiert haben. Uns wurde gesagt, dass es hinsichtlich Geschmack, Textur und Geruch fast nicht von. Für einige Veganer, die ich kenne, war das Produkt zu realistisch und hat ein unangenehmes Gefühl bei ihnen ausgelöst. 

Der Fokus liegt nicht darin, Veganer dazu zu bringen, „Clean Meat“ zu essen, denn die beste Ernährung für die Umwelt und den Planeten ist eine pflanzliche Ernährung. Ich bin mir sicher, dass all denjenigen, die Fleisch essen wollen, die Entscheidung leichtfallen wird, sobald zwei Optionen zur Auswahl stehen, von denen eine komplett rückverfolgbar ist, auf „saubere“ (clean) Weise produziert wurde und gesundheitliche Vorteile mit sich bringt.

Die Mehrheit der Bevölkerung kann oder möchte den Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten nicht aufgeben, obwohl sie wissen welche Auswirkungen es auf die Gesundheit, die Umwelt und für die Tiere hat. Was denken Sie kann die Leute bewegen ihr Essverhalten zu ändern?

Eines wurde mir während meiner Tätigkeit bei GFI klar: Anstatt das Verhalten jedes einzelnen aus gesundheitlichen oder ethischen Gründen ändern zu wollen, fokussiert sich GFI auf einfache, schnellere Optionen. Viele Studien zeigen, dass die Ernährung vorwiegend durch drei Faktoren gelenkt werden: Geschmack, Preis und Komfort.

Für viele ist der Geschmack das wichtigste und eine Großzahl hat Bedenken, dass „Clean Meat“ nicht wie das konventionelle Fleisch schmeckt. Andere sind skeptisch, da das Fleisch im Labor hergestellt wird. Haben Sie oder einer Ihrer Kollegen „Clean Meat“ probiert?

Ich persönlich habe „Clean Meat“ noch nicht gegessen, aber ich habe mit Kollegen gesprochen, die es schon probiert haben. Uns wurde gesagt, dass der Geschmack, die Textur und der Geruch fast nicht vom konventionellem Fleisch zu unterscheiden ist. Für einige Veganer die ich kenne, war das Produkt zu realistisch und hat ein unangenehmes Gefühl bei ihnen ausgelöst. Der Fokus liegt nicht darin, Veganer dazu zu bringen „Clean Meat“ zu essen, denn die beste Ernährung für die Umwelt und den Planeten ist eine pflanzliche Ernährung. Für all diejenigen, die Fleisch essen wollen, bin ich mir sicher, sobald zwei Optionen zur Auswahl stehen und bei einem dieser Produkte eine komplette Rückverfolgbarkeit vorliegt, es in einer „sauberen“ (clean) Weise produziert wurde und es gesundheitliche Vorteile hat, wird die Entscheidung für ein Produkt leicht getroffen.

Was ist dein größter Wunsch für die Zukunft im Hinblick auf die Ernährung?

Ich habe einige Wünsche! Mein erster bezieht sich auf die Aufklärung und Transparenz unseres Ernährungssystems. Der Durchschnittsamerikaner kennt die Wahrheit über Tierfabriken nicht und ich glaube, dass wenn sie es wissen, sich mehr Menschen für eine pflanzliche Ernährung entscheiden würden. Außerdem wünsche ich mir, dass viele Forschungsarbeiten von bedeutenden Universitäten wie „Harvard’s School of Public Health“ und „Johns Hopkins“ mit den Krankheitsbildern (wie Krebs, Diabetes, Herzerkrankungen), die durch eine Ernährung von tierischen Produkten entstehen, verknüpft werden und mehr Beachtung in der Presse finden.

Ich wünsche mir zudem, dass Kochschulen den Fokus mehr auf Kochen mit Gemüse und anderen pflanzlichen Proteinen legen. Vielen Chefköchen fehlt es an Wissen wie Gemüse präsentiert werden kann und nehmen an, dass Proteine von Fleisch, Eiern oder Fisch stammen muss. Glücklicherweise gibt es Chefköche, die leckere pflanzliche Speisen kochen können. Aber genau von diesen Köchen brauchen wir noch mehr, besonders in den bekannten Restaurants und Restaurantketten. Nur so werden pflanzliche Gerichte ein fester Bestandteil der Speisekarten.

Mein letzter Wunsch ist eines Tages in die „Proteinabteilung“ der Supermärkte zu gehen, wo pflanzliches Protein Seite an Seite mit tierischem Protein verkauft wird. Wenn diese Produkte nur in bestimmten Abteilungen verkauft werden, werden sie von der Mehrheit der Konsumenten nicht gesehen und nicht wahrgenommen. Nur wenn sie genauso wie tierische Produkte vermarktet werden, begreifen die Konsumenten die vielen Möglichkeiten, die sie haben, wenn es darum geht, wie sie ihre Familien ernähren sollen.
 

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