Rinder in der Massentierhaltung

Antibiotika: Je schlechter die Tierhaltung, desto größer die verabreichten Mengen

VIER PFOTEN: „Stille Pandemie“ bringt gefährliche Resistenzen auch für Menschen / Mehr Tierschutz unumgänglich

9.2.2022

Wien - Unglaubliche 33,5 Tonnen Antibiotika wurden 2020 von TierärztInnen an landwirtschaftliche Betriebe in Österreich abgegeben1. Das bedeutet gegenüber 2019 (33,16 Tonnen) einen leichten Anstieg. 25 Tonnen davon wurden allein Schweinen verabreicht, das sind 73,4 Prozent oder knapp drei Viertel der Gesamtmenge. Dahinter folgen Rinder (6,58 Tonnen bzw. 19,7 Prozent) und Geflügel (2,23 Tonnen bzw. 6,7 Prozent).

Je schlechter Tiere gehalten werden, umso größere Mengen an Antibiotika werden gebraucht. 

Davon betroffen sind wir freilich alle: Laut WHO könnten bis zum Jahr 2050 antimikrobielle Resistenzen für 10 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich sein, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die Intensivtierhaltung, die für mehr als 70 Prozent des weltweiten Einsatzes von Antibiotika verantwortlich ist, treibt diese „stille Pandemie“ voran. VIER PFOTEN fordert daher im Vorfeld der Regierungsverhandlungen zur Novelle der Tierhaltungsverordnung, Missstände in der Tierhaltung endlich zu beseitigen.

„Wir sehen ganz klar, wie Haltungsbedingungen und Antibiotika-Einsatz zusammenhängen: Schweine leiden unter Österreichs Nutztieren am meisten, die gesetzlichen Standards sind eine Schande. Sie haben viel zu wenig Platz, stehen überwiegend auf Vollspaltenböden, ihre Schwänze werden routinemäßig kupiert, die männlichen Ferkel ohne Betäubung kastriert. Dass es hier ein Riesen-Potenzial für Krankheiten und damit für den Einsatz von Antibiotika gibt, liegt auf der Hand“, sagt VIER PFOTEN Direktorin Eva Rosenberg.

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Nicht jede Gabe von Antibiotika an Tiere erzeugt resistente Keime. Aber die große Menge an antimikrobiellen Mitteln begünstigt diese Entstehung enorm. Die resistenten Keime können dann auf den Menschen übergehen.

Zwar ist die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika verboten, dennoch werden sie natürlich an viele gesunde Tiere vergeben. Rosenberg: „Sobald in einem Stall Tiere krank sind, dürfen unter bestimmten Bedingungen allen Tieren Antibiotika gegeben werden, auch den gesunden. Gerade in der Massentierhaltung werden also unzählige Tiere unnötig damit vollgepumpt. Diese so genannte Metaphylaxe ist völlig legal, aber natürlich extrem problematisch.“

Zudem werden die Medikamente oft über Trinkwasser und Futter und damit praktisch allen Tieren eines Bestandes verabreicht. Denn in der intensiven Haltung hat kein Tier eine eigene Futterstelle. „Das ist längerfristig nicht nur gefährlich für uns Menschen, sondern für die Tiere ein enormer Stress: Die kranken Tiere stehen weiterhin mit ihren Schmerzen, ihren Verletzungen, ihrem ganzen Elend dicht an dicht mit den Artgenossen. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn trotz der hohen Vergabezahlen von Antibiotika die vorzeitige Sterblichkeit der so genannten Nutztiere in Österreich mit rund 10 Prozent so hoch ist.“

Für VIER PFOTEN sind konkrete Verbesserungen für Österreichs Nutztiere im Rahmen der kommenden Novelle der Tierhaltungsverordnung unabdingbar. „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass es in Österreich keine Intensivtierhaltung gibt. Wir fordern ein Verbot von Vollspaltenböden, der betäubungslosen Ferkelkastration und des Schwanzkupierens. Es ist absurd, dass wir die Tiere an das Haltungssystem anpassen, sie dafür sogar verstümmeln. Es sollte genau umgekehrt sein: Die Haltung sollte den Bedürfnissen der Tiere angepasst sein“, sagt Rosenberg.

Schweinehaltung in Deutschland

VIER PFOTEN Antibiotika-Leitfaden zu neuer EU-Verordnung

Als Reaktion auf das große Risiko der resistenten Keime durch den hohen Antibiotika-Einsatz legte kürzlich auch die EU-Kommission fest, dass die nationalen Strategiepläne der Gemeinsamen Agrarpolitik Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes von Antibiotika beinhalten sollten. Außerdem werden mit der Tierarzneimittelverordnung, die mit 28. Jänner 2022 in Kraft getreten ist, neue Beschränkungen für den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft und ein Verbot des Antibiotikaeinsatzes als Ausgleich für mangelnde Hygiene, unzulängliche Haltungsbedingungen und Pflege oder unzureichende Betriebsführung eingeführt.

Da die EU-Kommission in den nächsten Jahren auch ihre Tierschutzregelungen überarbeiten wird, hat VIER PFOTEN gemeinsam mit ExpertInnen aus dem veterinären und juristischen Bereich einen Antibiotika- Leitfaden für EntscheidungsträgerInnen aus Politik und Wirtschaft entwickelt. Darin finden sich konkrete Maßnahmen zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes und zur Anpassung an die die neuen EU-Verordnungen.

Quellenverweis

1) AGES Mengenbericht 2020
Nerz und das Coronavirus

Tierschutz und Pandemie


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Mag. Elisabeth Penz

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Über VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler und Freunden in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen. Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen Streunerhunde und -katzen sowie Heim-, Nutz- und Wildtiere – wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans – aus nicht artgemäßer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfliktzonen. Mit Büros in Australien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kosovo, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, den USA und Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in elf Ländern sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen.

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