
Vogelgrippe: Eine wachsende Bedrohung für die öffentliche Gesundheit
Der Anstieg der Infektionen bei Säugetieren gibt Anlass zur Sorge über das Potenzial einer künftigen Pandemie
Die Vogelgrippe ist eine hochansteckende Viruserkrankung, die Geflügel und wilde Wasservögel befällt und auch auf Säugetiere, einschließlich des Menschen, übertragen werden kann.1 Vogelgrippeviren werden aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer Fähigkeit, bei Hühnern Krankheit und Sterblichkeit zu verursachen, als hoch- oder niedrigpathogen eingestuft. Während die niedrig pathogene aviäre Influenza (LPAI) in der Regel keine oder nur leichte klinische Symptome verursacht, kann die hoch pathogene aviäre Influenza (HPAI) zu schweren Erkrankungen und sogar zum Tod führen.
Das Ausmaß des Problems
Die HPAI geht mit einer hohen Sterblichkeitsrate bei Haus- und Wildvögeln einher. In den vergangenen zwei Jahrzehnten zirkulierten verschiedene Stämme des Vogelgrippevirus unter Wildvögeln, allerdings ohne dass es zu Todesfällen kam. Der jüngste Subtyp H5N1 hat dies jedoch geändert und zu einem Massensterben in Wildvogelpopulationen geführt.2 Darüber hinaus steigt die Zahl der Infektionen bei Säugetieren, sowohl in der freien Wildbahn als auch unter menschlicher Obhut. Das Virus wurde bei Arten wie Nerzen, Katzen, Waschbären, Delfinen, Füchsen, Seelöwen, Robben und sogar Eisbären nachgewiesen, wobei es auch zu Todesfällen kam.1,3-5
Tierschutz-Bedenken
Die Vogelgrippe verursacht erhebliches Leid und eine hohe Sterblichkeitsrate sowohl domestizierten als auch wilden Vogelarten. Bei einem Ausbruch müssen sowohl die kranken als auch die gesunden Tiere gekeult werden um eine weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Oft werden auch Vögel in Betrieben innerhalb eines bestimmten Radius gekeult.1,7 Zwischen 2004 und 2024 verursachte HPAI den Tod von mehr als 633 Millionen Geflügel weltweit.6 Darüber hinaus muss bei Ausbrüchen Geflügel in Ställen ohne Zugang ins Freie eingesperrt werden, mitunter über einen Zeitraum von mehreren Monaten.
Massentötung von krankem und gesundem Geflügel
Wenn die Vogelgrippe in einem Betrieb festgestellt wird, werden alle Vögel in diesem Betrieb getötet, um eine weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Oft werden auch Vögel in Betrieben innerhalb eines bestimmten Radius getötet, was leider bedeutet, dass nicht nur infizierte, sondern auch gesunde Vögel getötet werden. 1,7 Zwischen 2004 und 2024 verursachte HPAI den Tod von mehr als 633 Millionen Geflügel weltweit und führte zu deren Massentötung.8
Bei solchen Massentötungen hat das Wohl der Tiere keine Priorität. Oft werden Tötungsmethoden angewendet, die den Tieren unzumutbares Leid zufügen, wie beispielsweise das Abschalten der Belüftung in den USA oder die Vergasung von Ställen.9,10 Die zugelassenen Methoden zur Massentötung variieren von Land zu Land.
Keulungsmethoden bei Geflügel
Abschaltung der Belüftung
Dabei wird die Luftzufuhr zum Stall bzw. Geflügelstall unterbunden, indem die Lufteinlässe geschlossen und die Ventilatoren abgeschaltet werden. Dadurch erhöht sich die Körpertemperatur der Tiere, bis sie schließlich an Überhitzung sterben.11,12
Hausvergasung
Einleiten von Kohlendioxid (CO2) oder Gasgemischen in einen Stall/Geflügelstall.10
Hausvergasung mit gasgefülltem Schaum
Einbringen eines mit Gas, z. B. Stickstoff, gefüllten Schaums, um eine Atmosphäre ohne Sauerstoff zu schaffen.10
Bei hohem Vogelgripperisiko werden die Vögel in Ställen gehalten
Bei einem hohen Risiko eines Ausbruchs der Vogelgrippe müssen Betriebe mit Auslauf ihre Tiere im Stall halten, um den Kontakt mit Wildvögeln und eine weitere Verbreitung des Virus zu vermeiden.7 Die Stallhaltung kann sich über Monate hinziehen und wirkt sich beispielsweise durch Überbelegung, Stress und hohe Ammoniakwerte negativ auf das Wohlergehen und die Gesundheit der Tiere aus. Langfristig kann dies dazu führen, dass Landwirt:inne die Stallhaltung der Freiland- oder Biohaltung vorziehen, da die beiden letzteren weniger rentabel sein könnten, wenn es immer wieder zu Vogelgrippe Ausbrüchen kommt.
HPAI Ausbrüche in Milchviehbetrieben
Mit dem Auftreten von Ausbrüchen in Milchviehbetrieben hat die Angst vor der Vogelgrippe zugenommen. So wurde im März 2024 wurde der Subtyp H5N1 erstmals bei Milchkühen in den USA gemeldet. Bis April 2025 wurden 998 Fälle in Milchviehherden in den USA bestätigt.13 Zu den klinischen Symptomen bei Kühen gehören leichte Atemwegsbeschwerden, verminderter Appetit und eine geringere Milchproduktion.14,15 Im März 2025 wurde im Vereinigten Königreich der erste Fall eines infizierten Schafs festgestellt.16 Der Virusstamm, der Milchkühe befällt, stammt ursprünglich von Wildvögeln und wurde dann auf Rinder übertragen und von infizierten Kühen schließlich auf andere Kühe, Katzen, Geflügel und Menschen weitergegeben.5,17,18
Sorge um die Tierwelt
Die Vogelgrippe tötet Wildvögel und Säugetiere in alarmierendem Ausmaß. Seit 2021 sind mindestens 485 Vogel- und 37 Säugetierarten betroffen.19 Die Vogelgrippe wurde unter anderem bei wildlebenden Rotfüchsen, Stinktieren, Waschbären, Berglöwen und Bären festgestellt.2 Auch in Gefangenschaft lebende Wildtiere wurden infiziert, wie die gemeldeten Fälle von Großkatzen in vietnamesischen Zoos zeigen.8, 20 Dies macht deutlich, dass die Vogelgrippe zu einem Naturschutzproblem geworden ist, das die biologische Vielfalt und Ökosysteme bedroht.
Bedenken hinsichtlich der menschlichen Gesundheit
Bislang war die Übertragung von Vogelgrippeviren auf den Menschen selten, nicht nachhaltig und mit dem Kontakt zu infizierten Vögeln oder einer kontaminierten Umgebung verbunden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden zwischen dem 1. Januar 2003 und dem 22. April 2025 973 Fälle des Subtyps H5N1 bei Menschen in 25 Ländern gemeldet. Davon waren 470 tödlich, was einer Sterblichkeitsrate von 48,3 % entspricht.17
Internationale Organisationen haben das derzeitige Risiko für den Menschen zwar als gering eingestuft, aber auch davor gewarnt, dass sich dies schnell ändern könnte. Denn die Viren passen sich weiterhin an Säugetiere an und könnten so zu einer Gefahr für die menschliche Gesundheit werden.21 Tatsächlich lassen die steigende Zahl der Infektionen bei Säugetieren und die bestätigten Übertragungen von Säugetier zu Säugetier erneut die Befürchtung aufkommen, dass sich das Virus schnell weiterentwickelt. Mit seiner weiteren Anpassung an Säugetiere könnte es auch tatsächlich von Mensch zu Mensch übertragbar werden, was eine neue Pandemie auslösen könnte.4
Herkömmliche Lösungen reichen nicht aus
Die politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Vogelgrippe umfassen Biosicherheit, Keulungen und in manchen Ländern Impfungen. Diese Maßnahmen reichen jedoch nicht aus. Es besteht dringender Bedarf an Maßnahmen, um die Zahl der Nutztiere zu verringern und den Tierschutz zu verbessern.
Impfungen können Betriebe nicht immun gegen HPAI machen, ebenso wenig wie Biosicherheitsmaßnahmen. Ausbrüche treten häufig in Betrieben auf, die keinen Zugang zum Freien haben. Auch Geflügelproduktionssysteme mit hohen Biosicherheitsstandards sind betroffen. Impfung und Biosicherheit sind wichtig. Sie können zwar dabei helfen, Ausbrüche einzudämmen, doch um die Ursachen der Krankheit in der Landwirtschaft wirksam vorzubeugen, muss mehr getan werden: die schlechte Haltungsbedingungen von Geflügel in Massentierhaltungen muss verbessert werden.
VIER PFOTEN fordert
Verringerung der Anzahl von Nutztieren.
Die übermäßig hohe Zahl von Vögeln in der Massentierhaltungen trägt maßgeblich zur Verbreitung vom Virus sowie zur Entstehung von neuen Mutationen bei. Um die Gesundheit von Tieren und Menschen zu schützen, müssen wir die Gesamtzahl der gezüchteten Vögel reduzieren.
Die Anzahl und Dichte von Tieren in der industriellen Nutztierhaltung muss verringert werden, um Keulungen und Krankheitsübertragungen zwischen den Betrieben zu begrenzen.
Zu den Präventionsstrategien muss auch die Verringerung der Dichte von Geflügelbetrieben gehören, um eine Übertragung zwischen den Betrieben zu vermeiden.22 Dies würde die Ausbreitung des Virus zwischen den Betrieben einschränken und dafür sorgen, dass weniger oder keine Betriebe in die Sperrzonen um einen infizierten Betrieb fallen.
Es sollte eine Umstellung von industriellen Anlagen auf kleinbäuerliche Betriebe mit geringer Besatzdichte und hohem Tierschutz erfolgen, um das Leiden der Tiere und die durch Ausbrüche verursachten Verluste zu begrenzen.
Wenn es in einem kleinen Betrieb mit wenigen Tieren zu einem Ausbruch kommt, sind weniger Tiere betroffen als in Massentierhaltungen. Dadurch werden Tierleid, finanzielle Verluste und Risiken für die menschliche Gesundheit begrenzt.
In der Nähe von Gewässern oder Rastgebieten von Zugvögeln (Feuchtgebieten) in Hochrisikogebieten dürfen keine gewerblichen Betriebe angesiedelt werden.
Um das Risiko einer Übertragung von hochpathogenem aviären Influenzavirus (HPAI) zwischen Geflügel und Wildvögeln zu verringern, sollten keine gewerblichen Betriebe in der Nähe von Gewässern und Feuchtgebieten angesiedelt werden. Diese Gebiete werden natürlicherweise von wilden Wasservögeln bevölkert und stellen deshalb ein erhöhtes Ansteckungsrisiko dar.
Dezentralisierung der Schlachtung.
Zentralisierte Produktionsketten erhöhen aufgrund langer und komplexer Transport- und Schlachtungsketten das Krankheitsrisiko. Außerdem führen diese Systeme häufig zu Tierschutzproblemen.
Ausstattung der Betriebe mit Wintergärten, um Tierschutzprobleme bei Ausbrüchen der Vogelgrippe zu minimieren.
Ein „Wintergarten“ oder eine „Veranda“ ist eine überdachte Struktur an der Außenseite eines Hühnerstalls mit vollständig eingestreutem Boden. In diesen Bereichen haben die Hennen natürliches Licht und Außenklima zu genießen. Wintergärten und Veranden werden immer mehr bei bestimmten Gütesiegeln vorgeschrieben.
Alle Geflügelbetriebe sollten finanziell und rechtlich dabei unterstützt werden, Wintergärten zu bauen, die den Tieren einen Bereich mit anderen klimatischen Bedingungen als im Stall sowie Tageslicht, Frischluft und Bewegungsraum bieten.
Ergreifung von Maßnahmen in Weide-, Hinterhof- oder anderen Produktionssystemen im Freien, um den Zugang von Wildvögeln zu begrenzen.
Durch die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern im Außenbereich von Geflügelbetrieben werden diese Freiflächen für Hühner attraktiver und für Wildvögel unattraktiver. Dadurch wird die Gefahr eines Kontakts zwischen beiden minimiert. Außerdem sollten Futter- und Wasserquellen geschützt werden. Das Trinkwasser für Nutzgeflügel sollte nicht aus unbehandeltem Wasser aus Teichen oder Bächen stammen. Zudem sollten Wildvögel nicht gefüttert werden. Zusätzlich ist ein Maschendrahtzaun als Abgrenzung ratsam.23,24
Tiere nur dann im Stall halten, wenn Ausbrüche in dem Gebiet gemeldet werden.
Die Stallhaltung sollte nur bei einem Ausbruch der Vogelgrippe in der Umgebung des Betriebs angewendet werden. Die Dauer sollte außerdem auf den kürzestmöglichen Zeitraum begrenzt werden, um Tierschutzprobleme zu vermeiden.
Quellenverweis
2Animal Health Situation Worldwide. [accessed 2025 June 27]. https://www.woah.org/app/uploads/2024/05/gs91-2024-wd-tech-01-animal-health-situation-en.pdf
3Avian influenza overview June–September 2024. [accessed 2025 June 27]. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2024.9057
4Spillover of highly pathogenic avian influenza H5N1 virus to dairy cattle. [accessed 2025 June 27]. https://doi.org/10.1038/s41586-024-07849-4
5Venkatesan P. Human cases of avian influenza A(H5) in the USA. [accessed 2024 Nov 7] https://doi.org/10.1016/j.lanmic.2024.100978
6World Organization for Animal Health (WOAH). Chapter 10.4. Infection with high pathogenicity avian influenza viruses. In: Terrestrial Animal Health Code. 2024.
7Community measures for the control of avian influenza and repealing Directive 92/40/EEC. [accessed 2025 June 27]. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=celex%3A32005L0094
8The State of the World’s Animal Health. [accessed 2025 June 27]. https://doi.org/10.20506/woah.3586.
9Killing of Animals for Disease Control Purposes. [accessed 2025 June 27]. https://www.woah.org/fileadmin/Home/eng/Health_standards/tahc/2018/en_chapitre_aw_killing.htm
10Killing for purposes other than slaughter: poultry. [accessed 2025 June 27]. https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2019.5850
11Guidelines for the Depopulation of Animals. [accessed 2025 June 27]. https://www.avma.org/sites/default/files/resources/AVMA-Guidelines-for-the-Depopulation-of-Animals.pdf
12The Rise of Heatstroke as a Method of Depopulating Pigs and Poultry: Implications for the US Veterinary Profession. [accessed 2025 June 27]. https://doi.org/10.3390/ani13010140
13HPAI in Livestock | Animal and Plant Health Inspection Service. [accessed 2025 Feb 7]. https://www.aphis.usda.gov/livestock-poultry-disease/avian/avian-influenza/hpai-livestock
14Avian influenza virus type A (H5N1) in U.S. dairy cattle. [accessed 2025 Feb 7]. https://www.avma.org/resources-tools/animal-health-and-welfare/animal-health/avian-influenza/avian-influenza-virus-type-h5n1-us-dairy-cattle
15Federal and State Veterinary Agencies Share Update on HPAI Detections in Oregon Backyard Farm, Including First H5N1 Detections in Swine. [accessed 2024 Nov 7]. https://www.aphis.usda.gov/news/agency-announcements/federal-state-veterinary-agencies-share-update-hpai-detections-oregon
16Updated joint FAO/WHO/WOAH public health assessment of recent influenza A(H5) virus events in animals and people. [accessed 2025 June 27]. https://www.woah.org/app/uploads/2024/12/cleared-2024-12-10-fao-woah-who-h5n1-assessment-woah-fao.pdf
17Human infection with avian influenza A(H5) viruses. [accessed 2025 June 27]. https://cdn.who.int/media/docs/default-source/wpro---documents/emergency/surveillance/avian-influenza/ai_20250516.pdf?sfvrsn=cf54905c_1&download=true
18Risk assessment of a highly pathogenic H5N1 influenza virus from mink. [accessed 2025 June 27]. https://doi.org/10.1038/s41467-024-48475-y
19Wildlife under threat as avian influenza reaches Antarctica. [accessed 2024 Nov 7]. https://www.woah.org/en/wildlife-under-threat-as-avian-influenza-reaches-antarctica/
20Bird flu outbreak kills dozens of tigers in Vietnam zoos. [accessed 2024 Nov 13]. https://www.theguardian.com/world/2024/oct/03/vietnam-bird-flu-outbreak-tiger-deaths-my-quynh-safari-vuon-xoai-zoo
21Updated joint FAO/WHO/WOAH assessment of recent influenza A(H5N1) virus events in animals and people. [accessed 2025 June 27]. https://www.woah.org/app/uploads/2025/04/2025-04-17-fao-woah-who-h5n1-assessment.pdf
22Drivers for a pandemic due to avian influenza and options for One Health mitigation measures. [accessed 2025 June 27]. https://data.europa.eu/doi/10.2903/j.efsa.2024.8735
23Biosecurity Basics Tipsheet for Pastured Poultry. [accessed 2025 June 27]. https://attra.ncat.org/publication/biosecurity-basics-pastured-poultry/
24Avian influenza basics for organic and pastured poultry flocks. [accessed 2025 Apr 23]. https://extension.umn.edu/poultry-health/avian-influenza-basics-organic-and-pastured-poultry-flocks