Schlange

Q&a: Positivliste zur Wildtierhaltung

Eine Positivliste kann ein hilfreiches Werkzeug darstellen, um den Handel und die Haltung von Wildtieren zu regulieren

20.4.2023

Existierende Positivlisten in Europa

Immer mehr Länder in der EU setzen Positivlisten für die Privathaltung von Tieren um. Diese sind an die jeweilige Ländersituation angepasst.

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Was ist eine Positivliste?

Ein mögliches Instrument, um den Handel und die Haltung von Wildtieren zu regulieren ist eine sogenannte Positivliste, die anhand von Kriterien festlegt, welche Tierarten für den Handel und die Privathaltung geeignet sind. Alle Tierarten, die nicht auf der Positivliste vorkommen (inkl. Subspezies und Hybride), sind automatisch für die Privathaltung verboten. Im Gegensatz dazu hält eine Negativliste fest, welche Tierarten für die Privathaltung verboten sind. Alle nicht gelisteten Arten sind demnach erlaubt.

Warum brauchen wir eine Positivliste?

Die EU ist weltweit einer der größten Absatzmärkte und Umschlagplätze für exotische Heimtiere. Potenzielle Käufer können über Online-Plattformen und ausländische Tierbörsen, spontan und ohne Vorkenntnisse nahezu alles kaufen. Oftmals für einen sehr günstigen Preis. In der Regel finden keine Aufklärung, Beratung oder Kontrollen statt. Jährlich werden in der EU so hunderttausende Wildtiere als Haustiere zum Verkauf angeboten. Neben Tier- und Artenschutzaspekten sowie Gefahren für die heimische Biodiversität birgt die private Haltung von Wildtieren hohe Risiken für die öffentliche Sicherheit und Gesundheit. Es ist dringend nötig, die Haltung und den Handel mit gewissen Tierarten, wie z.B. exotischen Tieren, zu regulieren.

Trotz aller damit verbundenen Probleme ist der Großteil des Wildtierhandels legal. Doch legal bedeutet nicht automatisch kontrolliert, schonend oder nachhaltig. Noch immer sind viele der hierzulande gehandelten Tiere Wildfänge aus der Natur. Sogar Arten, die in ihrem Herkunftsland national geschützt sind, können innerhalb der EU straffrei verkauft und gehalten werden. Die Risiken, die bestehen, wenn die Haltung von Wildtieren als Heimtiere NICHT proaktiv reguliert wird, sind folgende:

  • Tierschutz: Halter sind oftmals ohne Fachkunde und können somit keine artgerechte Haltung gewährleisten. Sie wissen z.B. nicht, ob ihr Heimtier krank ist oder welches Futter das richtige ist.
  • Artenschutz: Oft handelt es sich bei Haustieren um Wildfänge, also Tieren, die aus der Wildnis entnommen wurden. Weltweit sind mindestens 13.000 Arten vom internationalen Heimtierhandel betroffen. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES nennt die direkte Ausbeutung von Wildtieren (und -pflanzen) als zweitgrößte Bedrohung für die Artenvielfalt, hinter der Veränderung der Land- und Meernutzung, aber sogar noch vor dem Klimawandel.
  • Heimische Biodiversität: Oft handelt es sich bei Exoten um invasive Tierarten, die eine Gefährdung für die heimische Flora und Fauna bedeuten. Bei Überforderung werden exotische Haustiere oft ausgesetzt (ein Risiko, das vor allem jetzt während der Energiekrise mit steigenden Energiekosten droht) oder entfliehen, weil die Tiere nicht artgerecht untergebracht sind.
  • Öffentliche Sicherheit: Auch hier nochmal: Bei Überforderung werden exotische Heimtiere oft ausgesetzt oder entfliehen. Vor allem gefährliche oder giftige Tiere stellen ein ernsthaftes Risiko für den Menschen dar.
  • Öffentliche Gesundheit: Ein großes Problem sind Zoonosen, also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen überspringen können. Vor allem bei Exoten können von Salmonellen bis Tollwut eine Vielzahl an Krankheiten unwissend ins Haus gebracht werden. Der Risikofaktor dafür steigt nochmal beträchtlich mit Wildfängen. Fakt ist: Wir wissen nicht, wie viele und welche Tiere gehandelt werden. Oft werden kurz nach der Entdeckung neuer Tierarten wenige Wochen später Tiere dieser Art bereits zum Verkauf angeboten.

Was für ein Ausmaß hat der Wildtierhandel in der EU? Gibt es konkrete Zahlen?

Die EU ist einer der Hauptimporteure von Wildtieren und somit ein aktiver Treiber im legalen und illegalen Wildtierhandel. Zwischen 2007 und 2016 wurden mehr als 300 Millionen Wildtiere in die EU importiert.1 Der Trend, dass sogenannte "Exoten" als Heimtiere gehalten werden, ist in den vergangenen Jahren gestiegen.2 Welche Art gerade beliebt ist variiert ständig.

Welche Vorteile bietet eine Positivliste im Vergleich zur Negativliste?

  • Transparenz: Eine übersichtliche und automatisch kürzere Liste der Tiere, die gehalten werden dürfen, verschafft den Haltern, Vollzugsbehörden aber auch der allgemeinen Öffentlichkeit Klarheit darüber welche Tiere gehalten werden dürfen und welche nicht.
  • Reduzierter Aufwand: Es entsteht weniger Bürokratie für die Behörden durch den reduzierten Verwaltungsaufwand, der derzeit unter anderem für Haltungsentscheidungen für neue Arten aufgewendet werden muss.
  • Proaktiv: Negativlisten hinken immer neuen Trends hinterher. So auch in der Haltung exotischer Haustiere und Veränderungen im Handel. Sie müssen kontinuierlich aktualisiert werden, nicht nur wenn neue Arten als Haustiere gehalten werden, sondern auch wenn sich eine Art als unpassend für die Privathaltung herausstellt.  Mit einer Positivliste müssten Tiere, die es in Österreich noch nicht gibt, erst für die Privathaltung beantragt werden. Das ermöglicht den Behörden und Experten im Vorhinein zu entscheiden, ob das Tier für die Privathaltung geeignet ist oder nicht.
  • Artenschutz/Naturschutz: Die Positivliste ist eine präventive Maßnahme vor der illegalen und legalen Entnahme von Tieren aus ihrer natürlichen Heimat, um sie als Exoten für die Privathaltung zu verkaufen. Es entsteht auch kein falsches Gefühl der Akzeptanz bestimmte Arten, die für die heimische Biodiversität gefährlich sein könnte, zu halten.
  • Öffentliche Gesundheit: Durch eine reglementierte Einfuhr von bestimmten Arten wird das Risiko des Einschleppens von Krankheiten vermindert.

Wieso fordert VIER PFOTEN eine Positivliste?

Die Haltung von Wildtieren als Haustiere wirft Bedenken hinsichtlich des Tierschutzes, der Gesundheit von Mensch und Tier, den Schutz der heimischen Artenvielfalt und der Erhaltung geschützter Räume auf.3 Eine Positivliste allein ist natürlich nicht ausreichend, aber sie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um den illegalen Wildtierhandel auf nationaler und europäischer Ebene einzudämmen. Durch ihre proaktive Natur schützt sie unzählige Tiere vor einem Leben in nicht artgerechter Haltung und schafft das notwendige öffentliche Bewusstsein dafür, dass Wildtiere nicht für die Privathaltung geeignet sind. Weiters erleichtert sie dem Vollzug die Kontrollen bei der Zucht und den Meldungen für die Privathaltung. 

Verschiebt eine Positivliste den Handel und die Haltung von Wildtieren nicht nur in den illegalen Bereich?

Eine Analyse der belgischen Positivliste der Eurogroup for Animals hat gezeigt, dass es zu keinem erhöhten Anstieg an illegal angebotenen Wildtieren im Internet kam.4 Tatsächlich zeigt sich, dass eine Positivliste, in den Ländern wo bereits eine implementiert wurde, in der Bevölkerung Klarheit schafft, welche Tiere sie halten dürfen und welche nicht. 

Macht eine Positivliste auf europäischer Ebene nicht mehr Sinn?

VIER PFOTEN fordert eine Positivliste auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Zusätzliche nationale Listen sind deshalb wichtig, weil sie auf die Bedürfnisse der einzelnen Länder eingehen können. Außerdem kann es Jahre dauern, bis eine solche Liste auf EU-Ebene etabliert ist. Die Liste würde bloß der kleinste gemeinsame Nenner zwischen allen Ländern sein. Deshalb ist es notwendig, dass Länder wie Österreich, mit einem strengeren Tierschutzgesetz, strengere Listen für erstellen.  Ein Beschluss des europäischen Gerichtshofs entschied, dass Tierschutz als legitimer Grund gilt, strengere nationale Regeln zu erlassen, gewisse Arten für die Privathaltung zu verbieten.

Welche Länder in der EU haben bereits Positivlisten?

Insgesamt haben 9 EU-Länder eine Positivliste eingeführt. Dazu gehören: Norwegen, Belgien, Niederlande, Italien, Luxemburg, Frankreich, Slowenien, Spanien und Litauen. 

Welche Tiere gelten als Exoten und was ist der Unterschied zwischen einem domestizierten Tier und einem Wildtier?

Wildtiere verfügen über angeborene, vererbbare und arttypische Verhaltensweisen und Körpermerkmale, die sich von denjenigen der domestizierten Verwandten stark unterscheiden. Im Gegensatz zu den domestizierten Haustieren sind bei Wildtieren zum Beispiel Jagdtrieb und Fluchttrieb immer noch stark ausgebildet. Das ändert sich auch nach mehreren Generationen in Gefangenschaft nicht. Bei der Domestizierung wird eine Tierart durch gezieltes Züchten so entwickelt, dass eine für den Menschen nutzbare Spezies entsteht. Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere tausend Jahre, wie es das Beispiel Hund zeigt. In diesem Zeitraum finden genetische Veränderungen statt, die das Verhalten und das Aussehen der Tiere ändern. Beim Zähmen versucht man einem einzelnen Wildtier die Wildheit zu nehmen und an den Menschen zu gewöhnen. Es findet keine genetische Veränderung statt, daher ist das Verhalten von gezähmten Tieren auch nicht immer vorhersehbar. Exoten sind Tiere, die nicht in der jeweiligen Region heimisch sind.

Was passiert mit Wildtieren, die bereits in Privathaltung sind?

Wildtiere, die bereits in Privathaltung sind, werden nicht abgenommen. Halter dürfen ihre Tiere bis zu ihrem Ableben halten. Eine weitere Zucht mit diesen Tieren ist aber verboten. Zusätzlich können bestimmte Halter, die als Experten in der Haltung dieser Art eingestuft werden können, eine Ausnahmeregelung beantragen.

Welche Bestimmungen gelten für Leute die Wildtiere halten möchten?

Wildtiere sind keine Heimtiere. VIER PFOTEN rät daher von der privaten Wildtierhaltung ab. Halter brauchen nicht nur viel Spezialwissen, sondern es ist auch sehr zeit- und kostenaufwändig sich um die Tiere artgemäß zu kümmern. Deshalb braucht es für bestimmte erlaubte Wildtierarten einen verpflichtenden bundesweiten Sachkundenachweis, durch den sich potenzielle Besitzer ein bestimmtes Vorwissen aneignen müssen, um die Tiere dann auch artgemäß halten zu können.

Warum soll die Wildtierhaltung von einigen Arten verboten werden? Das löst nicht die problematische Haltung mit den dann erlaubten Tieren.

Das stimmt, eine Positivliste alleine löst nicht das Problem der Haltung von erlaubten Wildtieren als Heimtiere. Deshalb fordern wir die Positivliste auch nur in Kombination vieler Maßnahmen, unter anderem durch einen verpflichtenden bundesweiten Sachkundenachweis und die verpflichtende Bewilligung für Züchter. Sie ist allerdings ein wichtiger Schritt, um den unkontrollierten und boomenden illegalen Handel mit Wildtieren einzudämmen sowie den Behörden ein einfaches Werkzeug an die Hand für den Vollzug an die Hand zu geben.

Was ist mit Personen, die geschützte Arten züchten, um Artenschutz zu betreiben?

Das Bundesumweltamt definiert Artenschutz wie folgt: "Artenschutz umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Förderung der wildlebenden Tier- und Pflanzenwelt in ihrer natürlichen Vielfalt. Aufgabe des Artenschutzes ist es, für alle Arten Erhaltungs-, Rückzugs- und Ausbreitungsgebiete zu schaffen. Der Schutz der Lebensräume ist der Schlüssel für einen erfolgreichen Artenschutz."

Demnach kann die Privathaltung von Exoten gar nicht im Zeichen des Artenschutzes stehen. Tatsächlich stehen viele Arten auf der bedrohten Liste, weil sie als Heimtiere in Europa begehrt waren. Private Nachzuchten sind ebenfalls meist für den Verkauf bestimmt und orientieren sich daher an der Nachfrage nach exotischen Haustieren, nicht aber an der heimischen Biodiversität oder in Kooperation mit Erhaltungs- und Schutzprogrammen.

Leguan

Quellenverweis

1 https://www.europarl.europa.eu/petitions/en/petition/content/0697%252F2020/html/missinglink
2 “Evaluation of the EU Policy on Animal Welfare and Possible Policy Options for the Future,” DG Sanco, 22 December 2010. [Online]. Available: https:// ec.europa.eu/food/sites/food/files/ animals/docs/aw_arch_122010_full_ ev_report_en.pdf [Accessed 04 July 2019].
3 Eurogroup for Animals. 2020. Analysis of national legislation related to the keeping and sale of exotic pets in Europe.
4 Di Silvestre, I. and van der Hoeven S. (2016). The implementation of the Positive List for mammal pets in Belgium: a success story. Report by Eurogroup for Animals, Brussels, Belgium, 20 pp.

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